Istanbul – Trabzon
Anna:
Am Donnerstag, dem 18.08.2011 standen wir früh auf, um bald nach Sonnenaufgang die Räder zu satteln und aufzubrechen. Ist es möglich die Autobahnbrücke per Rad zu überqueren? Wir kannten niemanden, der uns diese Frage beantworten konnte, was den Tag natürlich noch besonderer machte. Als wir uns der Brücke näherten, erkannten wir auf der rechten Seite ein Wächterhüttchen und dahinter ein Polizeiauto. Wir traten heftig in die Pedale in der Hoffnung die Polizei würde uns in dem ganzen Verkehr übersehen. In dem Auto und dem Häuschen war allerdings niemand zu sehen! Gepuscht von hupenden Bussen und Autos fuhren wir dennoch erleichtert per Fahrrad auf den asiatischen Kontinent.
We crossed the bridge!
Nachdem wir die ersten 40km hinter uns hatten, entdeckte Christian auf der anderen Strassenseite 2 Menschen die an ihren Fahrrädern schraubten. Wir dachten, sie könnten vielleicht unsere Hilfe gebrauchen und hielten an. So lernten wir Sarah und Sam kennen samt Fahri, der sie in Istanbul beherbergt und umsorgt hat. Nach einer Runde Tee war beschlossen ein Stück gemeinsam zu radeln. Das Stück dauerte 4 Wochen.
Die beiden sind aus England und nun schon 1 Jahr per Fahrrad unterwegs! Sie haben eine coole Homepage auf der auch Videos zu finden sind Sehr zu empfehlen.
Der gemeinsame Weg führte uns die Schwarzmeerküste entlang, wobei die Strecken zum Teil hügelig, zum Großteil bergig und zum Schluss flach war. Anstrengender als Bulgarien. Aber jeder Abschnitt ist Vorbereitung auf den Nächsten, denn die kommenden Berge werden weder weniger noch niedriger Wir campten in Haselnussplantagen, am Waldrand oder auch mal am Strand. Im Garten von Einheimischen und auch mal an Tankstellen – nirgendwo sonst habe ich mich nachts an Tankstellen so wohl gefühlt… Die Türken sind wahnsinnig gastfreundlich. Auch während dem Ramadan wurden wir tagsüber mit Essen und Tee beschenkt und vor allem während der 3 Feiertage nach Ramadan konnten wir Einblick ins Privatleben und die Küche bekommen
Wir haben erstaunlich viele Türken getroffen die gerade Heimaturlaub machten und in Deutschland oder Österreich arbeiten. Das war sehr hilfreich, da sie uns viel Hintergrund und Insiderwissen vermitteln konnten, denn ihr Deutsch ist um einiges besser als unser Türkisch. Obwohl auch das immer besser wird!
Liebstes türkisches Wort: Tamam (= ok)
Was ich herausgefunden habe: Der Sand am Schwarzen Meer ist tatsächlich schwarz
In der Türkei ist es tatsächlich möglich trotz massivem Fahrradfahren zu zunehmen! Das liegt an den 1000 leckeren Süssspeisen und Backwaren, die man überall bekommt. Aber damit könnte man ein extra Kapitel befüllen …
Ach ja, fast hätte ich vergessen vom ersten Crash zu erzählen. Es war Mittwoch, der 07.09.2011. Nach einer Etappe von etwa 70km erreichten wir das Städtchen Ünye. Wir wollten Ünye durchfahren, um danach einen Schlafplatz zu finden. Christian fuhr vorne, dahinter Sarah, dann ich, dann Sam. Wir hatten schön Schwung vom letzten Hügel, als die nächste Ampel auf Rot umschaltete. Christian bremste ohne Warnung voll ab, und Sarah hatte auf Grund ihrer gering vorhandenen Bremsen und wenig Abstand zu Christian, keine Chance mehr rechtzeitig stehen zu bleiben. Sie versuchte links auszuweichen, stürzte, da ihre Gepäcktaschen gegen Christians knallten und demolierte sich ihre Vorderfelge. Da Sam sofort den Verkehr aufhielt, hat Sarah nicht mehr abbekommen als ein paar Schürfwunden und einen Schock.
Wir quatierten uns am Campingplatz ein und aus einem Pausentag wurden vier. Aber das hatte andere Gründe…
Unterwegs trafen wir ein nettes Paar aus Tirol, mit tollem VW-Bus. Es waren 2 unter vielen tollen Menschen denen wir begegnen durften. Auch etliche Bäcker, Einheimische, Reisende, Fahrradladenbesitzer und vorallem Tankstellenwarte erheiterten unseren Weg. Wie Sam immer sagt: die Reise ist immer so, wie die Menschen, die man trifft.
Umso schwerer fiel uns der Abschied von Sarah und Sam nach 4 Wochen gemeinsamem Reisen, Lachen, Schwitzen und Philosophieren. Aber vielleicht trifft man sich ja in China wieder…
PS: Sam ist Musiker – bei Youtube findet ihr unter Sat Nav Sam einiges von ihm.
Christian:
Über die Strecke der Schwarzmeerküste wurde schon viel berichtet. In den Berichten ging es immer um Strassen die einen auffressen und Steigungen die einem das Letzte abverlangen. Eine kurze Beurteilung der Strecke aus unserer Sicht. Bis zur Schwarzmeerküste sind es langgezogene Hügel auf denen man km machen kann. Ab Sile folgten wir dann der Küste.
Die Hügel waren steil, aber gut machbar. In Zonguldak folgte das anstrengenste Stück der Küste, dies lag an dem sehr hohen Verkehrsaufkommen und an den extremen Steigungen. Innerhalb von 5km macht man da 5 Hügel.
Danach blieb die Strecke vom Anspruch her auf hohem Niveau. Es wird an vielen Stellen gebaut, die einspurige Küstenstrasse weicht der 2-3 spurigen Schnellstrasse.
Die Stadt Amasra sind wir umfahren (Wir haben uns ca. 20km vorher schon nach Sinop orientiert, würde ich jedem empfehlen!). Das Stück zwischen Amasra und Sinop macht mir noch den ursprünglichsten Eindruck. Die Hügel werden dann immer flacher und länger bis nach Sinop. Danach hat man nur noch langgezogene Hügel mit viel Verkehr.
Fazit: die Strecke würde ich jedem Empfehlen der Zeit hat und keinen Rekord brechen will. Der Teer kann hier wirklich gespenstisch sein, in der Mittagssonne findet ihr eure Reifenspuren im Teer wieder und einen Teil des Teers in eurem Profil. Es gibt Stellen da sind Dosen, Schrauben oder sogar Transit Fußmatten eben in den Teer eingefahren.
Es gibt hier an der Schwarzmeerküste quasi keinen ausländischen Tourismus. 95% der Menschen die Urlaub machen, kommen aus Österreich, Frankreich, Holland oder Deutschland und haben türkische Wurzeln. Erst in Trabzon laufen uns die ersten Ottonormal-Touristen über den Weg. Die Schwarzmeerküste ist sehr grün, in den hohen Tälern wie im Schwarzwald, es gibt einsame Buchten mit sehr klarem Wasser, die Temperaturen im Hochsommer sind max. bei 30°C und es weht immer ein Lüftchen vom Meer.
Ausser den berüchtigten wilden Hunden, welche Radfahrer zum Frühstück verspeisen, treffen wir hier an der Küste noch Landschildkröten, Gottesanbeter und Siebenschläfer. Wir hören auch viele wilde Geschichten von den türkischen Braunbären welche sogar Frauen verschleppen. Diese Geschichten hören sich aber eher danach an, dass sich manche ältere Leute mit der Jugend Ihren Spaß machen.
PS: Vor 2 Tagen habe ich erfahren, dass in Bayburt ein Bär sein Unwesen treibt. Er hätte schon 8 Schaafe gerissen und 2 Menschen getötet. Da die Bären aber unter Naturschutz stehen traut sich niemand etwas zu machen. Wir haben das Gebiet gestern verlassen.
Vorschau:
Unsere nächste Etappe geht ins Innere des Landes, bis zum Vansee. Mal sehen welche Berge und Wasserfälle uns zu sich rufen…